St. Martin - ein Fest für heute

Sankt Martin, Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind…

Eine jede und ein jeder kann dieses ▸Lied mitsingen und in guter, liebgewonnener Tradition schlängelte sich am 11. November, dem Namenstag des heiligen Martin, ein langer Martinszug von der Trinitatis Kirche über die Wörthstrasse zum Johanniter Seniorenheim. Hier wurde das Martinslied gesungen und schon ging der Zug weiter zum Heilig-Geist-Kirchplatz.

Um die 400 kleine und große Menschen bildeten dort mit ihren Laternenlichtern einen Halbkreis um Sankt Martin auf dem Pferd. Sankt Martin wurde in diesem Jahr von einer jungen Frau gespielt. Der Bettler war diesmal eine Bettlerin im Alter von 11 Jahren. Zusammen mit Herrn Krampe und Frau Kolter haben sie uns die Geschichte erzählt und nachgespielt. Anschließend verteilten Mitarbeiterinnen vom Familienzentrum Heilig Geist Brezel. Das Teilen der Brezel und das gegenseitige Beschenken zauberte so manches Lächeln in die Gesichter der Menschen in dieser dunklen Zeit.

Auch in der St.-Gottfried-Kirche wurde an den heiligen Martin gedacht. Schon am Donnerstag spielten die Kinder der Kita St. Gottdfried die Legende im Rahmen eines Wortgottesdienstes in der Kirche nach. Am Sonntag feierten wir zusammen mit der Gnadenkirche einen ökumenischen Familiengottesdienst, in dem Erwachsene Martin und Bettler spielten. Im Anschluss luden wir zu Kinderpunsch der Glühwein und den süßen Brezeln ein.

Die Erinnerung an den Soldaten und späteren Bischof von ▸Tour (Frankreich) ist mit vielen, uns mittlerweile teilweise fremd gewordenen Traditionen verbunden. Auch wenn die Legende in jeden Jahr gespielt und erzählt wird, sind die 1600 Jahre eine tiefe Lücke, die es zu überwinden gilt, will man die ▸Ursprünge und den ▸Sinn für uns heute lebenden Menschen finden. Viele Menschen haben noch nichts vom heiligen Martin gehört, die Umzüge, die in anderen Regionen weitaus größer ausfallen als im Münsterland, wirken befremdlich, ja sogar in Frankreich ist der Feiertag in Vergessenheit geraten.

Doch Martin war im vierten Jahrhundert ein bemerkenswerter Mensch. Als Sohn eines römischen Offiziers zum Militärdienst eingezogen, war er widerwillig Soldat im römischen Heer. Er trat nach der Mindestzeit von 25 Jahren mit 40 Jahren aus der Armee aus - bereits zuvor hatte er einen Kampfeinsatz mit Verweis auf sein christliches Menschenbild verweigert.

Er ist sowohl in Ungarn als auch Frankreich und vielen weiteren Ländern Namenspatron von Kirchen und anderen Gebäuden und wird als Fürsprecher angerufen von Winzern, Webern, Schneidern, Reisenden, Reitern, der Geächteten - Arme und Bettler - und Soldaten. Sogar Haustiere werden unter seinen Schutz gestellt. Als Soldat, der sich bekannte, nun „Soldat Christi“ zu sein und nicht gegen die Alemannen in den Kampf ziehen wollte, ist er auch Patron der Kriegsdienstverweigerer.

Viele Traditionen haben eine unklare oder nicht eindeutige Herkunft. Ob die Laternen von heidnischen ▸Erntefeuern ähnlich Halloween stammen oder doch der Wundererzählung vom Diebstahl des Leichnams des Martin - wahrscheinlich kommen auch hier mehrere Stränge zusammen: Der Todestag ist in Wahrheit der 8. November, allerdings starb er außerhalb Tours in einem kleinen Dorf in der Umgebung. Die Dorfbewohner wollten ihn nicht herausgeben, so dass er nachts gestohlen wurde und auf dem Fluss nach Tours getreidelt wurde. Im November blühten dann der Legende nach am Ufer unzählige weiße Blumen auf - wie heute die Schar von hellen Laternen. Der Gedenktag ist daher der Tag seiner Beisetzung, der 11. November 397. Da die Fastenzeit vor Weihnachten früher gleih der vor Ostern 40 Tage betrug, begann sie direkt nach diesem Tag, sodass die „letzte Chance“ für Feiern und Essen eine weitere Bedeutung bekam (Martin selbst lebte sehr asketisch). Die großen Feierlichkeiten, auch Kirchmess und bereits erste Umzüge, versammelten auch die Bauern der Umgebung und so wurde zu diesem Stichtag (vor dem Ende des Kirchenjahres an Christkönig, eine Woche vor dem ersten Advent) auch das bäuerliche Wirtschaftsjahr beendet und Steuern und Lehnsabgaben wurden - in Naturalien, z.B. Gänsen - fällig.

Und das Pferd entstammt eher den Umständen, dass viele kleine Martinsfeuer entzündet wurden und die Jugendlichen ausgelassen und undiszipliniert feierten. In Preußen wurde das Feiern dann zentralisiert und in harmlosere Formen kanalisiert. Es gab nur ein großes Feuer, der Umzug wurde von einer „Autoritätsperson“ auf dem Pferd angeführt und auch das „Organisieren“ der Süßigkeiten wurde von der Obrigkeit gesteuert. Heute sind Sorgen vor Unfällen und das Tierwohl Gründe, ▸Martinszüge ohne Pferd durchzuführen.